Schuster bleib bei deinen Leisten – Warum ein eigener Onlineshop für Produzenten in den meisten Fällen keinen Sinn macht und warum man dennoch nicht auf die Onlinevermarktung seiner Produkte verzichten sollte.
Immer mehr heimische Produzenten beginnen damit eigene Onlineshops, so genannte DTC Shops (Direct to Consumer Shops) zu betreiben. Die Unabhängigkeit vom Handel, vermeintlich bessere Margen und der direkte Draht zum Endkunden verführen dabei zur Entwicklung eines eigenen Onlineshops. Doch was sich anfänglich gut anhört, entpuppt sich meist schon nach kurzer Laufzeit als Desaster. Fehlende Zugriffe, geringe bis keine Umsätze und erste Abmahnungen sorgen meist dafür, dass die anfängliche Euphorie schnell verpufft. Doch was wurde falsch gemacht? In den meisten Fällen ist die Lösung einfach: Die Komplexität im Aufbau und Betrieb eines eigenen Onlineshops wurde deutlich unterschätzt und/oder Sie haben zu viel erwartet.
Ein Onlineshop ist nicht nur eine Website mit Bestellbutton
Hinter einem professionellen Onlineshop steckt mehr als man am ersten Blick vermutet. Neben einer performanten Shopsoftware gilt es auch Logistik, Warenwirtschaft, Kundendaten, Payment, Kundenservice, Serverstruktur, Schnittstellen etc. im Griff zu haben. Sehr oft wird der Aufwand und damit die Kosten für den Aufbau der notwendigen Tools und Prozesse unterschätzt. Der Aufwand für die Entwicklung eines guten Onlinevertriebs ist oft gleichzusetzen mit der Errichtung eines stationären Ladengeschäftes. Auch hier reicht es nicht nur eine Verkaufsfläche gemietet oder errichtet zu haben um erfolgreich zu werden. Und anders als im stationären Handel, wo eine gute Lage Frequenz bringt, bedarf es in der Onlinewelt gute Auffindbarkeit in Suchmaschinen, Relevanz und hocheffiziente Onlinewerbung mit geringen CPCs (Cost per Click). Von einer guten Order Conversion Rate durch ständige Usability Optimierung sprechen wir noch gar nicht.
Auf die richtige Erwartungshaltung kommt es an
Die Erwartungshaltung in Bezug auf das Umsatzpotential mit einem eigenen Onlineshop ist meistens deutlich höher, als die Realität es zulässt. Aktuell werden „nur“ rund 11% aller Einzelhandelsausgaben der ÖsterreicherInnen im Distanzhandel getätigt (e-Commerce Studie Österreich 2019). Also nicht, wie oft fälschlicher Weise am Stammtisch propagiert, fast alles. Natürlich gibt es Unterschiede nach Branchen. Doch ist ihre Branche schon fit für die Onlinewelt? Ist die digitale Produktbeurteilbarkeit ausreichend gegeben? Gibt es eine gut funktionierende Logistik? Können Sie die hohen Prozessanforderungen Ihrer KundInnen an den Onlineeinkauf überhaupt erfüllen? Haben sie das Budget und die zeitlichen Ressourcen für ein derartiges Projekt? Ein guter Onlineshop mit der ein oder anderen Schnittstelle kostet nicht nur bei der Einrichtung viel Geld und Zeit, sondern auch in der laufenden Instandhaltung und Weiterentwicklung. Und wenn hier von viel Geld gesprochen wird, dann ist man schnell mal bei mehreren 10.000 Euro. Wie viele Produkte müssen Sie hier verkaufen damit sich das rentiert? Sehen Sie! Und dabei haben wir noch nicht mal zusätzliche Personalkosten, Logistikkosten, Paymentgebühren, etc. betrachtet. Aus vielen Gesprächen mit ProduzentInnen, welche sich dazu entschlossen haben einen eigenen Onlineshop zu betreiben zeigt sich, dass diese Shops eigenständig betrachtet meist nicht wirtschaftlich sind.
Wann macht ein eigener Onlineshop Sinn?
Sehr oft übernehmen sich Produzenten mit dem Vorhaben einen eigenen Onlineshop zu betreiben und vernachlässigen dadurch ihr eigentliches Kerngeschäft: nämlich gute Produkte zu produzieren. Man kann einfach nicht alles zeitgleich gut und effizient machen. Das ist der Grund, warum es keine eierlegenden Wollmilchsäue gibt und der Begriff komparativer Vorteil geboren wurde. Also: konzentrieren Sie sich auf Ihr Kerngeschäft, machen Sie Onlinehändler zu ihren Partnern und versuchen Sie eine eigene Onlinepräsenz mit einer informativen Website aufzubauen, die auch auf mobilen Geräten funktioniert. Legen Sie dabei den Fokus auf guten Inhalt und transportieren Sie Ihre Marke. Ersparen Sie sich die Integration eines eigenen Onlineshops, sondern verlinken Sie von Ihrer Website auf Ihre Produkte, die Onlinehändler bereits im Sortiment haben. So macht jeder das, was er gut kann und man hilft sich gegenseitig, anstatt im Mitbewerb zu stehen. Und um auf die Frage zu antworten wann ein eigener Onlineshop Sinn macht: Sie brauchen auch stationär top nachgefragte High Involvement Produkte mit guten Margen, die sich online gut beurteilen und kostengünstig zustellen lassen. Ansonsten hat der etablierte Onlinehändler mit großen Sortimenten auf Grund des gesammelten Warenkorbs und der effizienteren Abwicklung mehr Sinn. Oder würden Sie Ihre Zahnpasta, Marmelade oder Taschentüchern jedes mal direkt im Onlineshop des jeweiligen Produzenten einkaufen? Schon alleine das Anlegen der vielen Kundenkonten wäre ein mühsames Unterfangen. Ganz zu schweigen von den vielen Paketen, wo überall nur ein Produkt enthalten ist. Also, vertrauen Sie dem „weniger ist mehr“ Prinzip wenn Ihr Angebot nicht in die geeigneten Kategorien fällt. Geben Sie lieber einen Teil Ihrer Marge an den Onlinehändler ab, denn der hilft Ihnen am Ende des Tages Geld zu sparen.
Und sehen Sie es mal von der anderen Seite: Würden Sie mit Ihrer Erfahrung als Produzent einem kleinen Onlinehändler raten, eine Produktion für alle bei ihm angebotenen Produkte aufzubauen? Sehen Sie 😉